Bericht von unterwegs: Thouars – Beuxes (2022 -1. Teil)

Auch dieser kleine Streckenabschnitt von 37km Länge war von mir bereits im Jahr 2021 besucht worden. Damals allerdings reichte meine Zeit nicht für die komplette lange und es fehlten am Schluß noch 12 Kilometer zur vollständigen Streckenerkundung. Von Loudun aus ging es 2021 und 2022 wieder mit dem Bus zurück nach Thouars. Der Personenverkehr bzw. in diesem Fall der Busfahrplan ist in der Region nur sehr bruchstückhaft vorhanden und kommt über einen einfachen Schülerverkehr kaum hinaus. Es ist schon eine Herausforderung (online) den aktuellen Fahrplan zu finden. Bis der Bus dann am Morgen um die Ecke kam bestand sogar noch eine Ungewissheit, ob ich an der richtigen Bushaltestelle wartete. Als Nicht-Einheimischer lauern hier so manche Tücken.

Bericht von unterwegs: Thouars – Loudun (2021)

Eine kleine zweitägige Streckenwanderung führte mich im Mai 2021 auf den Schienen vom Bahnhof in Thouars in das rund 25km entfernte Loudun. Kurz hinter Loudun wurde nahe dem Ort Beuxes noch ein Getreidesilo bedient, jedenfalls bis vor Kurzem. Die in der Region Nouvelle-Aquitaine befindliche Bahnlinie ist ein kläglicher Rest eines früher sehr umfangreichen eingleisigen Streckennetzes.…

Eine Übersicht der zurzeit aktuellsten Netzkarte der SNCF aus dem Jahr 2020. Der letzte Zug kam im Jahr 2019 nach Beuxes. Offensichtlich war Kartenabteilung der SNCF Reseau zum Redaktionsschluß das Ende der Strecke noch nicht bekannt. Eigentlich sollte die Linie nun entsprechend „gepunktet“ eingezeichnet sein (= Linie nicht betriebsbereit).

Als ich die Linie im Jahr 2021 besuchte war noch ungewiss, ob hier Züge fahren oder nicht. Es stellte sich heraus, dass der Zugverkehr tatsächlich seit einiger Zeit eingestellt worden war. Offensichtlich ist laut Quellen im Internet der letzte Zug im Jahr 2019 gefahren (Quelle: Link). Der Grund liegt in der Überalterung der Bahnstrecke. Schienen und Schwellen sind zu sehr in die Jahre gekommen und eine größere Modernisierung – ein „wieder fit machen“ – durch den geringen Zugverkehrt einfach nicht mehr gerechtfertigt. Hierzu trug u.A. bei, dass nach und nach immer weniger Güterkunden die Strecke nutzen. An den Bahnhöfen Arçay und Loudun zweigten bis vor 15 Jahren noch andere Bahnstrecken ab, die weiteren Güterverkehr generierten. Zuletzt war es nur das Getreide in Beuxes, welches von der Bahn angefahren wurde. Der Personenverkehr war bereits seit dem Jahr 1970 auf die Straße verlagert worden.

Zum Start der Streckenwanderung ab Thouars in Richtung Beuxes empfiehlt es sich bis nach Mittag zu warten. Bei der Marschrichtung in Richtung Westen hat man ansonsten die Sonne frontal von vorne.

Der Versuch einer Gegenüberstellung mit einer alten Postkarte
Bei der Wanderung entlang der Bahnhofsstraße fallen einem die vielen Gebäude mit Bahnbezug auf. Sei es Wohngebäude für die Eisenbahner, Werkstätten, Lagerhallen etc. Viele dieser Gebäude sind scheinbar vermietet oder stehen leer.
Eines der Stellwerke im Bahnhof Thouars.
An einer Laderampe konnte ich als Anschlagskante dieses Stück Schiene ausmachen. Es ist datiert auf das Jahr 1873.
Thouars als ehemaliger bedeutender Knotenpunkt ist auch heute noch Stütz-, und Lagerpunkt für Bauarbeiten und Baumaterial.
Und schließlich verläßt die von mir favorisierte Bahnstrecke den Bahnhofsbereich von Thouars. An der Trassierung und auch später an einer Brücke läßt sich erkennen, dass die Linie zu einem früheren Zeitpunkt zweigleisig gewesen ist.

Zur Eröffnung der Strecke im Jahr 1873 war die Bahnlinie eingleisig gewesen. Doch schon 9 Jahre später, im September 1882 wurde auf 8 Kilometern Länge zwischen Arçay – Loudun das zweite Streckengleis in Betrieb genommen. Der Abschnitt ThouarsArçay (17km lang) erhielt dann im Jahr 1913 ebenfalls sein zweites Streckengleis. Somit befand sich der von mir besuchte Streckenabschnitt im Jahr 1913 in seiner größten Ausbaustufe: Von Thouars bis Loudun konnte auf 25km Länge nun zweigleisig gefahren werden. Im weiteren Verlauf über Beuxes nach Chinon blieb die Bahnlinie stets eingleisig. Sicherlich waren die Ausbauten dem damals sehr dichten Netz geschuldet.

Ein Rückbau der Gleisanlagen setzt mit der deutschen Besatzung im zweiten Weltkrieg ein. Der Streckenteil Thouars – Loudun verlor sein 25km langes zweites Streckengleis wieder im Jahr 1942. Nach Kriegsende erfolgte kein Wiederaufbau. Mittlerweile hatte sich gezeigt, dass das dichte Eisenbahnnetz gerade im Personenverkehr defizitär ist. Ende der 30er Jahre erfolgten bereits großflächige Einstellungen im Personenverkehr.

Thouars als Eisenbahnknoten war auch von militärischer Bedeutung. Nördlich des Gleises befanden sich größere Areale mit einem großen Munitionslager. Ein dichtes Netzwerk an Anschlußgleisen sorgte für den reibungslosen An,- und Abtransport. Nach der Aufgabe des Standortes wurden Gleise und Gebäude abgerissen. Heute befinden sich auf den Arealen mehrere Solarparks. Als letzte Rest ist hier noch eine abzweigende Weiche zu sehen, deren vollständiger Ausbau wohl zu teuer kam. Bildquelle: https://remonterletemps.ign.fr/
Einen Teil der militärischen Anlagen kann man auf einem Luftbild aus dem Jahr 1964 erkennen. Heute sind alle diese Gebäude verschwunden.
Die ersten 5 Kilometer verläuft das Streckengleis kurvenlos in Richtung Westen. Nachdem der Zugverkehr nun knapp fünf Jahre Geschichte ist, erobert die Natur den Bahndamm zurück. Der Oberbau zeigt sich hier von solider Art: Zum Einsatz kommen die sehr langlebigen Stahlschwellen. Nur vereinzelt sind Holzschwellen zu sehen. An den Schienenstegen ist das Alter der jeweiligen Schienen gut ablesbar. Hier gibt es überraschend wenig Vielfalt zu sehen: Fast alle Schienen stammen aus den Jahren 1910 und 1911.
Exemplarisch ein Foto einer Schiene aus dem Jahr 1910.
An Bahnübergängen werden häufig gebrauchte Schienen zu Zaunpfählen umfunktioniert. Teilweise war es hier etwas schwieriger, die Walzzeichen in einem lesbaren Zustand zu bringen. In diesem Fall klappte es dann doch ganz gut. Die Schiene stammt aus dem Jahr 1872. Sie war vermutlich eine der ersten Schienen die hier lagen und wurde dann, nachdem sie abgenutzt war, zu einem Zaunpfahl.
In einem Schwellenfach zwischen den Stahlschwellen ist ein Kontakt für einen der Bahnübergänge zu sehen. Die kleinen Gabeln registrieren einen Zug und schalten dann die Sicherung am Bahnübergang (Schranken oder Lichtzeichen) ein oder aus.
Zwei Kilometer hinter dem kleinen Ort Orbé (hier gab es sogar einen kleinen Haltepunkt; der Bahnsteig war noch gut zu erkennen) liegt ein Autowrack im Wald. Schon 2021 hatte ich die Blechkiste mit meinem Wanderstock so gut es geht aus der Dornenhecke befreit. Jetzt, 2022 lag die rostige Kiste immer noch gut sichtbar keine 10m neben dem Bahngleis.
Nach und nach sind dann auch mal einige Bahnübergänge mit technischer Sicherung zu sehen. Hier ist immer auch eine Tafel mit Hinweisen angebracht. Das Schild mit der Bezeichnung der Bahnstrecke und der Nummer des Bahnübergangs ist obligatorisch. Die Telefonnummer des nächsten zuständigen Stellwerks ändert sich über die Jahre auch mal. In diesem Fall wurde ein neues Schild ergänzt.
Nachdem eingangs von Stahlschwellen gesprochen wurde, ist hier mal ein Abschnitt mit Holzschwellen zu sehen. Die recht helle Schwelle in der Bildmitte wurde dabei erst vor wenigen Jahren eingebaut.
12 Kilometer hinter Thouars sind am Bahnhof Pas-de-Jeu das erste Mal die alten Stuhlschienen zu sehen. Hier auf dem Foto wurden die beiden unterschiedlichen Schienentypen miteinander verschweißt.
Im Bahnhof Pas-de-Jeu wurde bereits ein großer Rückbau betrieben. Das Bahnhofsgebäude ist erhalten und bewohnt. Den Güterschuppen allerdings hat man abgerissen. Sein Fundament ist noch gut zu erkennen. Das Grundstück als Teil einer Weidefläche aber leider eingezäunt.
Der recht großzügig ausgekippte Schotter mag nicht darüber hinwegtäuschen, dass hier relativ alte Schienen vom Typ „Stuhlschiene“ liegen. Ihr Unterhalt ist aufwändig und eigentlich ist hier eher Neubau als Reparatur das Mittel der Wahl. Gerade für schwere Getreidezüge sind solche alten Schienentypen eine tickende Zeitbombe. Der Zugbetrieb erfolgt dann „so lange es noch geht“. Die Aufnahme entstand im Bahnhof Pas-de-Jeu, dessen übrige Gleise alle entfernt worden sind. In der Bildmitte auf Höhe des kleinen Grasbüschels beginnt rechts der Bahnsteig.
Hinter dem Bahnhof Pas-de-Jeu wird Bahnübergang Nummer 177 erreicht.
Von Thouars an waren die Anzeichen auf einen früher zweigleisigen Bahnkörper nur sehr spärlich. Hier an der Brücke über den kleinen Bach Dive sind das erste Mal deutliche Überreste des damaligen zweiten Streckengleises zu sehen. Der Ausbau erfolgte im Jahr 1913. Bereits im Jahr 1942 musste das zweite Gleis aber wieder auf Veranlassung der deutschen Besatzer abgebaut werden.
Nahe der Brücke über die Dive waren ein paar fleißige Bieber zu beobachten.
Hinter der Brücke über die Dive folgen eine Reihe von Bahnübergängen. Nicht immer ist das nach Einheitsmuster errichtete Schrankenwärterhaus dabei in einem guten Zustand. Oftmals stehen hier nur noch die Grundmauern.
In einem der Schrankenwärterhäuser wurde scheinbar mutwillig die Zwischendecke zerstört. Entsprechend sieht es auf dem Fußboden im Erdgeschoß aus.
Nachdem ab der Brücke über die Dive auch das Gras im Gleisbereich immer höher steht, wäre mir fast diese grüne Zauneidechse entgangen.
Die letzten drei Kilometer vor dem Unterwegsbahnhof Arçay, ist der Oberbau der Strecke sehr von Gras überwuchert und scheinbar in einem schlechten Zustand. Zur Stabilisierung wurden weitere Schienenstücke angebracht.
Vom Bahnhof Arçay aus zweigte eine 62 km lange Bahnstrecke nach Poitiers ab. Sie wurde 1874 eröffnet, verlor ihren Personenverkehr im Jahr 1939 und den Güterverkehr ab 1972. Bis 2006 wurde von Arçay noch bis nach Saint -Jean-de-Sauve gefahren. Die Schienen liegen noch, sind aber teilweise ziemlich überwuchert.
An der Weiche von wo ab die beiden Bahnstrecken in verschiedene Richtungen verlaufen, sind Richtungstafel angebracht.
Der Bahnhof von Arçay

Weitere Fotos folgen im 2. Teil.

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