Fortsetzung vom 1. Teil: Bericht von unterwegs: Chartres – Dreux (April 2022)
Bericht von unterwegs: Chartres – Dreux (April 2022 – 1. Teil)
Schon im Oktober 2021 wanderte ich für drei Tage auf der ehemaligen Bahnstrecke von Chartres nach Dreux. Eine kleine Vorschau postete ich hier auf meinem Blog (siehe hier). Tatsächlich blieb es bisher bei…
















Die drei verschollenen Bahnübergänge
Im Wald Bois des Aises, südlich von Aunay-sous-Crécy existierten drei Bahnübergänge, die bereits seit mehr als 50 Jahren in Vergessenheit geraten sind. Selbst Luftbilder des französischen Kartendienstes zeigen hier schon in den 50er Jahren keine besonders auffälligen Wege mehr. Bei meinen beiden Besuchen habe ich diesen drei Übergängen besondere Aufmerksamkeit geschenkt und intensiv nach Relikten gesucht.

Die drei Übergänge sind auf dieser topografischen Karte eingezeichnet. Die dicke blaue Linie stellt den Verlauf der Bahnlinie dar. Die auf der Karte im Wald gelegenen, gestrichelten Wege sind kleine Trampelpfade. Oftmals braucht man etwas Fantasie um diese Wege im Wald zu erkennen. Warum hier auf so dichtem Raume gleich drei Bahnübergänge auf nur 1000m Strecke eingerichtet wurden, ist heute nur noch schwer nachzuvollziehen. Nach der Überquerung der Bahntrasse endeten alle Wege kurz danach an zwei parallel verlaufenden Bächen in einer Sackgasse. Meine Vermutung ist ein handbedientes Stauwehr an der Stelle, an der die Bäche le Ravon und la Blaise zusammentreffen. Dies würde immerhin einen der Übergänge erklären. Bei meinen beiden Besuchen lag der Bach le Ravin beide Male trocken.
Bahnübergang Nummer 43
Dieser war schon im Herbst 2021 nicht zu übersehen. Bei meinem zweiten Besuch nahm ich mir etwas mehr Zeit und untersuchte das Gebüsch auf beiden Seiten der Bahnstrecke etwas genauer. Der Weg war breit genug um auch von Fahrzeugen befahren zu werden. Auf beiden Seiten sind die Wege jedoch mittlerweile kaum noch zu erkennen.


Wieder stecken hier Schienenstücke im Boden, wie schon bei anderen Übergängen. Diese sind letzte Reste, die von einem Zaun oder ähnlichem geblieben sind. Ein aufgestelltes Hinweisschild klärt darüber auf, dass der Bahnübergang geschlossen wurde. Man muss sich im Sommer durch dichtes Gebüsch kämpfen, um dieses Schild überhaupt lesen zu können. Der aufgestellte Rahmen, in dem auf einer blauen Fliese die Nummer des Bahnübergangs angegeben war, ist leider leer. Mit meinen Wanderschuhen wühlte ich um Umkreis etwas das Laub auf dem Boden auf und fand tatsächlich kleine blauen Fliesenscherben. Leider zu wenig um das Puzzle zu vervollständigen. Auf der anderen Seite der Strecke tat ich das Gleiche und fand etwas viel Größeres: Unter dem Laub verborgen war ein komplettes ca. 50kg schweres Tor des Bahnübergangs zu finden. Je Seite waren zwei solcher Tore vorhanden. Oftmals gab es ein drittes für den Weg der Fußgänger. In langer Kleinarbeit und mit nach mehreren Versuchen konnte ich das wuchtige gusseiserne Tor wiederaufrichten. Wie viele Jahrzehnte es wohl hier am Boden gelegen hat?




Bahnübergang Nummer 44
Auch Bahnübergang 44 ist eine nähere Betrachtung wert: Der kleine Überweg – ausschließlich für Fußgänger – kündigt sich bereits einige Meter vorher an und ist dabei trotzdem leicht zu übersehen. Es handelt sich um einen kleinen Fußweg, der durch den Wald hinunter zur Bahnstrecke führt. Auf einer Treppe aus Klinkersteinen geht mit mehreren Stufen den Hang zur Bahnlinie hinunter. Nach Überquerung des Gleises geht es auf einer zweiten Treppe nochmals ein Paar Meter vom Bahndamm herunter. Das erste gut sichtbare Anzeichen auf den Bahnübergang ist das oben im Wald aufgestellte kleine Metalltor. Da der Weg bereits in Vergessenheit geraten ist, steht das Tor einfach „mitten im Wald“.




Bei dem Tor handelt es sich um das in Frankreich übliche Design, welches tausendfach an Bahnübergängen zur Anwendung kam. Die beiden begrenzenden Zaunpfähle sind alte Schienenstücke.


Nachdem mehrere Bahnübergänge aufeinander folgend ohne vollständige Nummernschilder angetroffen worden, waren hier zumindest in einer kleinen Ecke noch Bruchstücke der blauen Fliese erhalten: Wir können eindeutig eine Nummer sehen die auf die Zahl 4 endet: Bahnübergang Nummer 44! Auch hier lohnte es sich mit den Schuhen etwas das Laub am Boden wegzuräumen: Mehrere Fliesenscherben auf dem Boden waren schnell gefunden: Nach knapp 150 Jahren ist die blaue Farbe noch gut sichtbar.
Was sollte dieser kleine Bahnübergang an so einer abgelegenen Stelle? Weiter unten führt der Weg am Randes des Bahndammes entlang. Er biegt nach 100m ab und überquerte einen Graben (den Bach le Ravin), der früher wohl mit Wasser gefüllt war.

Die Brücke über diesen Graben ist nur noch in ihren einfachsten Fragmenten zu erkennen: Zwei Schienenstücke sind geblieben. Alle Aufbauten – Bodenbretter und Geländer – sind vollständig verschwunden.



In den vergangenen 6 Monaten ist ein morscher Baum auf die Brücke gefallen. Bei meinem ersten Besuch im Herbst 2021 lag noch kein so dicker Stamm auf den Brückenresten. Eine der beiden Schienen ist am Brückenfundament durch den harten Aufschlag teilweise aus ihrer Führung gerissen worden. Auf den Schienenstegen ist das Walzzeichen der Schienen gut abzulesen. Bereits im Oktober 2021 hatte ich die Walzzeichen zur besseren Lesbarkeit etwas gesäubert: Heraus kam das Herstellungsjahr und das Walzwerk: Gewalzt wurde die Schiene im Jahr 1885 von der Firma Schneider & Cie.


Begrenzende Torpfosten und die aufgestellte Schiene mit den Resten der blauen Fliese: Das eigentliche Tor war leider nicht mehr aufzufinden. In den Sommermonaten sind diese letzten Relikte nur noch schwer auszumachen. Das Foto rechts zeigt den Treppenabgang von der Bahnstrecke hinunter.
Bahnübergang Nummer 45
Auch der folgende Bahnübergang Nummer 45 war aufgelöst worden und bot nur noch wenige Fragmente um seine frühere Existenz zu bestätigen: Das Halterung für die blaue Fliese ist diesmal sogar arg beschädigt worden. Generell stellt sich hier oft die Frage: Hat die schöne Fliese ein Sammler eingesteckt oder liegt sie verdeckt vom Laub irgendwo im näheren Umkreis auf dem Boden? Bahnübergang 45 konnte auch von Fahrzeugen befahren werden. Vielleicht haben sich einmal Ackerflächen dort befunden, wo jetzt ein Wald zu sehen ist.

Wieder lohnte es sich am Boden das Laub aufzuwühlen:

Abermals war ein kleines Bruchstück der blauen Fliese im Umkreis von einem Meter um den Torpfosten zu finden. Die große Metallkugel, die diesen Torpfosten schmückte war ebenfalls am Boden zu finden.
So weit zu den drei Bahnübergängen.







Fazit: Es war schön die Strecke nach meiner Reise im Herbst 2021 nur knapp 6 Monate später erneut nach Chartres zu reisen. Das Wetter spielte (trotz der kalten Nacht) wesentlich besser mit als noch im Herbst. Gerade die Nachforschungen zu den aufgelassenen Bahnübergängen waren ein kleines Highlight. Ab November 2022 werde ich mich intensiver mit den gesammelten Fotos beschäftigen und eine schöne detaillierte Streckenbeschreibung ausarbeiten 🙂