Eine kleine zweitägige Streckenwanderung führte mich im Mai 2021 auf den Schienen vom Bahnhof in Thouars in das rund 25km entfernte Loudun. Kurz hinter Loudun wurde nahe dem Ort Beuxes noch ein Getreidesilo bedient, jedenfalls bis vor Kurzem. Die in der Region Nouvelle-Aquitaine befindliche Bahnlinie ist ein kläglicher Rest eines früher sehr umfangreichen eingleisigen Streckennetzes.

Nachdem der Personenverkehr im Jahr 1970 aufgegeben wurde, bestand nur noch ein kleiner Rest an Güterverkehr, um die umliegenden Getreidesilos zu bedienen. Doch auch diese wurden nach und nach weniger. Da die Linien schon lange nicht mehr profitabel waren, musste wie gehabt am Unterhalt der Strecke gespart werden. Investitionen in neue Schiene oder Schwellen unterblieben fast gänzlich. Es wurde auf Verschleiß gefahren. Auf den von mir bewanderten 25 Kilometern Strecke liegen fast ausnahmslos Schienen der Jahrgänge 1910 und 1911. In Bahnhöfen sind auf Nebengleisen auch noch einige ältere Jahrgänge bis hinein in die 1870er Jahre zu finden.






Weitere Streckenstummel liegen noch bis nach Le Bouchet und nach Saint-Jean-de-Sauves. Doch hier wurde der Verkehr bereits schon länger aufgegeben, die Linien sind auf der 2020er Ausgabe der SNCF Streckenkarte nur noch gepunktet eingezeichnet. Damit sind diese Linien nicht mehr betriebsbereit und bereits abgeschrieben.
Weit prägend war auf der Strecke ein relativ solider Oberbau aus Stahlschwellen. Diese wartungsarme Oberbauart hat der Linie über die letzten Jahre vermutlich lange das Leben gerettet. Doch irgendwann muss auch hier ein Ersatz her. Weithin sichtbar waren auch die alten Stuhlschienen. In diesem Fall sogar noch die ganz alte symmetrische Ausführung.






Ob die Linie im Jahr 2021 noch befahren wird, war vor Beginn meiner Reise ungewiss. Erst nach meiner Ankunft konnte ich am Bahnhof von Thouars die Auskunft erhalten, dass die Strecke nach Loudun nicht mehr befahren wird. So befindet sich nun auch kurz hinter dem Bahnhof von Thouars ein Schwellenkreuz im Gleis. Dies bedeutet, die Strecke darf nicht mehr befahren werden. Sie ist betrieblich gesperrt und wurde damit scheinbar endgültig aufgegeben. Ab dem Schwellenkreuz machte sich dann auch sogleich die Natur breit. Große Hindernisse sind noch nicht zugegen, aber es wird nur eine Frage der Zeit sein, bis dann in ein paar Jahren auch zu Fuß kein Durchkommen mehr möglich ist.



Eine große fotoreiche Berichterstattung über diese Linie wird es vermutlich nicht geben. Zu uninteressant ist die Linie. Die Landschaft ist überwiegend flach und der Bahnbau traf hier in den 1870er Jahren auf nur wenige Hindernisse. Ein paar wenige (sehr kleine) Brücken wurden errichtet. Dazu kommen die gewohnten Schrankenwärterhäuschen, die damals fast jeden Bahnübergang schmückten. Viele dieser Gebäude sind noch heute zu sehen und werden oft auch noch bewohnt.
Die Unterwegsbahnhöfe Pas-de-Jeu und Arçay waren noch gut als solche zu erkennen. Aus den Bahnhofsgebäuden sind jetzt normale Wohnhäuser geworden. Auch die ehemaligen Güterschuppen sind als Scheune oder Lagerstätten zweckentfremdet worden und weiterhin in Gebrauch.




Meine Streckenwanderung endete wetterbedingt in Loudun. Den weiteren Streckenrest bis zum tatsächlichen Streckenende am Getreidesilo bei Beuxes habe ich mir dann nicht mehr angesehen. Sollte ich bei gutem Wetter noch einmal in die Region kommen, könnte ich die fehlenden Kilometer nacharbeiten. Aufgrund der fortschreitenden Vegetation wäre dies aber nur bis im Jahr 2022 möglich, danach ist das Zeitfenster schon zusehends geschlossen.





Dem kleinen Ort Loudun sieht man es nicht an, welche Bedeutung der Bahnhof einst hatte. Aus vier verschiedenen Richtungen könnten Züge in Loudun ankommen und machten den Bahnhof damit zu einem wichtigen Knotenbahnhof im ländlichen Raum. Diese verkehrliche Bedeutung spiegelte sich auch im Umfang der Gleisanlagen wieder. Mit dem Sterben der Bahnverbindung nach Montreuil-Bellay begann der Niedergang. Nach und nach wurde der Bahnhof immer weiter zurückgebaut, Weichen und Gleise entfernt.
Der verlassene Bahnhof von Loudun mit seinen verwaisten Gleisen, aufgetürmten Altschienen und anderen Eisenschrott ist eine kleine Fundgrube an Altmetallen. Wer die lange nicht mehr befahrenen Gleise abschreitet, kann hier und dort eine Reihe alter Walzzeichen entdecken.





