Südlich von Rouen wanderte ich im Oktober 2021 für drei Tage auf der kleinen Linie von Saint-Pierre-lès-Elbeuf nach Grand-Quevilly. Auf der Strecke fuhren seit mindestens Februar 2021 keine Züge mehr. Schon lange gab es hier eh nur noch einen sehr geringen Güterverkehr. Über die Jahre verlagerten immer mehr Firmen ihren Frachttransport auf die Straße. So verblieb nur noch eine einzige Firma die diese Bahnlinie nutze. Als diese im Frühjahr 2021 ankündigte, zukünftig keine Bahntransporte mehr zu bestellen, war es um die Bahnlinie geschehen.
Für eine umfangreiche Bebilderung werde ich im Frühjahr 2022 eine weitere Tour entlang der Strecke unternehmen, da mir noch nicht ausreichend Fotos vorliegen.

Im Jahr 1964 kam die Bahnlinie zu großen Filmehren. Der Actionfilm „le Train“ („The Train“ / „Der Zug“ <Wikipedia>) über den Kampf der französischen Widerstandskämpfer gegen die deutschen Besatzer wurden in vielen Szenen an der Strecke südlich von Rouen gedreht. Im Film soll ein Zug mit geraubten Gemälden vor den anrückenden Alliierten ins Deutsche Reich gefahren werden. Eisenbahner und weitere Zivilisten versuchen über mehrere Tage den Zug aufzuhalten. Sie versuchen Lokomotiven zu sabotieren, den Zug auf falsche Strecken zu leiten oder durch beabsichtigte Unfälle immer wieder zu verzögern. Gefilmte wurde auf den Viadukten und in den Tunneln der Strecke. Viele der damaligen Drehorte haben sich heute knappe 60 Jahre später stark verändert und man benötigt viel Fantasie, die damaligen gepflegten Bahnanlagen in den heute so verwahrlosten Bahnanlagen zu erkennen. Mittlerweile ist der in schwarz-weiß gefilmte Streifen auch auf Bluray erhältlich. Was den Film auszeichnet sind seine langen, ohne Schnitte ausgeführten Kamerafahrten und die Crashszenen, bei denen keine „Modelle“, sondern echte Lokomotiven geschrottet wurden.

Die Anreise
Die Anreise von München erfolgte mittels direktem TGV bis nach Paris. Hier wechselte ich mit der Metro den Bahnhof und fuhr weiter bis nach Oissel. Am späten Nachmittag des 13. Oktober 2021 stieg ich hier aus dem Zug. Die Tage waren Mitte Oktober bereits deutlich kürzer und so plante ich nur noch eine knapp 8km weite Wanderung in die Nähe der von mir anvisierten Bahnlinie. Erst nach einer Übernachtung würde ich am folgenden Tag die Strecke erreichen.
Ob auf der Linie tatsächlich nun keine Züge mehr fuhren, war noch nicht ganz Gewiss. Anfang Februar 2021 nährte ein Zeitungsartikel meinen Verdacht: Der letzte Frachtkunde der Bahnstrecke – ein Chemieunternehmen – kündigte an, seine gefährlichen Lieferungen zukünftig nicht mehr per Bahn transportieren zu lassen. Der Transport auf der Straße sei bereits genehmigt worden und so wolle man dem Transport per LKW nun den Vorzug geben. Lokale Vertreter vor Ort zeigten sich besorgt über den neuen Gefahrguttransport auf der Straße.

Ein Artikel der Zeitung berichtete am 3. Februar 2021 darüber, dass der letzte Frachtkunde seine Transporte zukünftig nicht mehr mit der Bahn befördern wird. Quelle: https://www.paris-normandie.fr/id161860/article/2021-02-03/transports-dangereux-pourquoi-un-industriel-de-saint-pierre-les-elbeuf-prefere
Dieser Pressebericht ließ mich vermuten, dass es damit nun um die Bahnlinie geschehen sei, wenn der letzte Güterkunde sich vom der SNCF anwendete. Genaueres würde ich aber erst erfahren, wenn ich die Strecke tatsächlich erreicht hatte. Hier müßte nun bis Oktober 2021 eigentlich bereits Gras über die Schienen gewachsen sein.




Erster Wandertag
Nach dem Abbau des Zeltes ging es aus den Wald heraus in den kleinen Ort Oisel. Hier tobte bereits der Berufsverkehr. Entlang der dicht befahrenen Straße führte mich mein Weg zum Schrankenposten Nummer 30 an einer anderen (noch befahrenen) Bahnstrecke. Der Morgen hatte im Tal der Seine leider mit dichtem Nebel begonnen. Auch in den kommenden Tagen würde dies der Fall sein und es dauerte oft bis zur Mittagszeit, ehe sich der Nebel gelichtet hatte.

Nach ca. einem weiteren Kilometer Fußstrecke erreichte ich schließlich den im Wald liegenden Bahndamm der Bahnstrecke Saint-Pierre-lès-Elbeuf – Grand-Quevilly. Nur wenige Meter entfernt vom 1.300m langen Tunnel d’Orival blickte ich auf eine teilweise schon stark zugewachsene Bahnstrecke.













Nachdem die Strecke bis kurz vor das Chemiewerk erkundet worden war, begab ich mich zurück um mir den übrigen Strecken Teil in Richtung Rouen anzusehen. Am Nachmittag hatte sich der Nebel nun endlich gelichtet.



Zweiter Wandertag








Leider warem die kurzen Tage im Oktober nicht hilfreich die Strecke ausreichend zu bebildern. Außerdem war die starke Vegetation stellenweise ein Hindernis. Ich werde daher wie borgesehen eine weitere Wanderung im Frühjahr unternehmen. Im April oder Mai sollte die Vegetation noch wesentlich zurückhaltender sein und viel mehr der Details der Strecke – auch links und recht etwas abseits der Schienen – für die Kamera sichtbar sein.