Wie auch andere Regionen, so hatte auch die französische Verwaltungsregion Okzitanien in den letzten Jahren mit einem schrumpfenden Bahnnetz zu kämpfen. Doch so nach und nach gibt es in manchen Gegenden nun Licht am Ende des Tunnels zu sehen. Einige der Bestrebungen und Absichtserklärungen waren in der Vergangenheit noch nicht ganz ernst zu nehmen. Doch nun werden langsam erste Fakten geschaffen und die Wiederbelebung von Eisenbahnlinien kommt langsam auf den Weg.

In den folgenden zwei Artikeln werfen wir einen Blick auf Bahnlinien, die teilweise schon zu Streckenwanderungen eingeladen haben. Nicht immer schwingt beim Wandern entlang rostiger und zuwachsender Schienen auch der Optimismus mit. Sind die Bahnhöfe erst einmal verwaist, wächs Gras über Gleise und Bahnsteige, hat dann der Verkehrsträger Schiene überhaupt noch eine Chance? Manche Bahnlinie zählte vor Ihrer Unterbrechung (auch in Folge schlechter Fahrplanangebote) weniger als 100 Fahrgäste am Tag – wohlgemerkt aus allen Zügen des Tages zusammengerechnet. Viele dünn besiedelte Regionen werden nie volle Züge sehen, die Siedlungsstruktur ermöglicht es einfach nicht. Oft haben selbst die parallel fahrenden Busse nur 5 Fahrgäste oder weniger zu verzeichnen. Braucht es da wirklich ein Bahnangebot und sind Investitionen, die teilweise im dreistelligen Millionenbereich liegen, hier gut aufgehoben? Diese Frage wird der Artikel nicht beantworten können. Wohl aber wollen wir uns die Bahnlinien ansehen, denen eine Wiedergeburt in Aussicht steht. Oft braucht es hier etwas Phantasie, wenn man zuvor tagelang entlang der brachliegender Gleise spazieren gegangen ist. Stunde um Stunde, Kilometer für Kilometer. Brücken, Tunnel, Bahnsteige… Wird alles das wiederbelebt werden? Manchmal ist alles dies nur schwer zu glauben. Wünschenswert wäre es dennoch.
Werfen wir nun im Einzelnen einen Blick auf zwei Bahnlinien, denen einen Wiedereröffnung wiederfahren könnte. Es gibt durchaus bereits ernstzunehmende Anzeichen.
4 Linien in Okzitanien (#1)
Ligne de Montréjeau – Gourdan-Polignan à Luchon
Ligne de Sévérac-le-Château à Rodez
1) Ligne de Montréjeau – Gourdan-Polignan à Luchon

Die knapp 35 km lange Strichstrecke in die Pyrenäen, ausgehend vom Bahnhof Montréjeau – Gourdan-Polignan an der Hauptstrecke Toulouse – Tarbes,00 wurde im Jahr 1873 eröffnet. Die Strecke hat ein anspruchsvolles Profil und muss in ihrem kurzen Verlauf einen Höhenunterschied von 200m überwinden. Entlang der eingleisigen Strecke entstanden 4 Kreuzungsbahnhöfe, von denen zuletzt nur noch einer (Marignac – Saint-Béat) diese Möglichkeit bot. Auf den anderen Bahnhöfen kam es zu Spurplanänderungen – also zum Rückbau von Gleisen. Obwohl nicht als Hauptbahn gebaut, kam der Linie sehr früh eine Elektrifizierung zu Teil. Die verfügbare Energie durch zahlreiche Wasserkraftwerke in der Region der Pyrenäen machte dies möglich. Am 2. Januar 1925 begann der elektrische Zugbetrieb mittels 1500V Gleichstrom. Zwei Unterwerke lieferten den benötigten Strom.

Im November 2011 mußte der Zugverkehr auf der Linie eingestellt werden, da eine Überalterung der Anlagen keinen sicheren Zugverkehr mehr möglich machte. In Ermangelung finanzieller Mittel war eine Renovierung der Strecke bis auf Weiteres nicht möglich. Eine bereits zum Zugverkehr parallel fahrende Buslinie dient seitdem als Ersatzangebot. Auch der Güterverkehr auf der Linie konnte nicht weiterbetrieben werden (es gab so und so nur einen nennenswerten Gleisanschluß). Die folgenden Zukunftsaussichten sahen eine Wiederinbetriebnahme für das Jahr 2020 vor. Dann sollte auch ein moderner Wasserstoffzug auf der Linie verkehren, quasi ein modernes Leuchtturmprojekt.
Aus der Wiedereröffnung im Jahr 2020 ist nichts geworden. Im Gegenteil: Aus Sicherheitsgründen wurde im Jahr 2017 – also drei Jahre nach der letzten Zugfahrt – auch noch 0mit der Demontage der elektrischen Oberleitung begonnen (ein Wasserstoffzug hätte diese eh nicht benötigt). Doch Dank der örtlichen Politiker und Unterstützern auf höheren Ebenen, 0ist die geplante Wiederinbetriebnahme nur aufgeschoben worden und nicht gänzlich vom Tisch. Um die Kosten für die Gleiserneuerung zu senken, wird der Einbau von gebrauchten Schienen einer anderen Strecke erwogen. Schienen, die dem dichten Verkehr einer Hauptstrecke nicht mehr genügen, können so auf einer weniger befahrenen Strecke noch einer weiteren Restlaufzeit zugeführt werden. Und hier werden nun tatsächlich Fakten geschaffen: Das Bahnhofsareal an der Endstation Luchon wurde von einigen Gleisen bereinigt,0 um eine ausreichend große Lagerfläche anzulegen. Hier werden nun die nach und nach an einer anderen Strecke abgebauten Schienen aufgereiht und zwischengelagert. Ironischer Weise werden die Schienen mit dem Lkw angeliefert – die Bahnstrecke ist ja gesperrt.

Nach Abschluß der Arbeiten (Erneuerung der Bahnsteige, Beseitigung von Langsamfahrstellen, Ertüchtigung und Reduzierung von Bahnübergängen etc.) wird nach den ausgearbeiteten Studien eine neue Reisezeit von 35 Minuten abgestrebt. Zuletzt betrug die Reisezeit wegen der vielen Mängel knapp eine Stunde. Nach der vollständigen Hinterlegung der benötigten Schienen werden nach einer Ausschreibung der Bauarbeiten die nötigen Vorarbeiten erledigt werden. Eine Eröffnung der Strecke würde im günstigsten Fall für den Dezember 2023 möglich sein, realistisch ist aber das Jahr 2024.
2) Ligne de Sévérac-le-Château à Rodez

Die Querverbindung zwischen Rodez und Severac-le-Chateau wurde 1880 eröffnet. Zuvor hatte die Eisenbahngesellschaft Compagnie des chemins de fer du Midi (kurz MIDI) im Jahre 1863 die Konzession zum Bau erhalten. Auf der 44km langen Strecken lagen 7 Unterwegshalte. Die Höchstgeschwindigkeit betrug 75Km/h und es gab keine Tunnel. Zu den einzig nennenswerten Kunstbauten zählen Geländeeinschnitte im felsigen Gelände, sowie 5 baugleiche Brücken von knapp 30m Länge, alle über den Fluß Aveyron. Die Linie war nicht elektrifiziert worden, hatte aber trotzdem Rampen von bis zu 16 Promille.

Auch hier kam es durch eine Überalterung der Strecke und fehlendem Geld für Modernisierungen zu einer Aussetzung aller Züge, die zum Fahrplanwechsel im Dezember 2017 alle Verbindungen auf die Straße verlagerte. Bei meinem Besuch fand ich entlang der gesamten Strecke noch die alten Stuhlschienen aus den 1930er Jahre vor. Gerade die gut ausgebaute Straßenverbinung hatte der Bahnlinie (mit ihren nur wenigen täglichen Verbindungen ohne Taktfahrplan) viele Fahrgäste abgenommen. Um den Reisekompfort zu erhöhen wurde die Straße an vielen Stellen begradigt und teilweise auch neutrassiert. Der Eisenbahn wurden solche Investitionen nicht zuteil.

In einem der letzten Jahre wurden pro Tag nur noch knapp 100 Fahrgäste in den Zügen gezählt. Das parallele Busangebot bietet entlang der Strecke eine Ausweichmöglichkeit und ist an den Endpunkten sogar in andere große Städte durchgebunden. So bestehen umstiegfreie Verbindungen bis nach Millau.

Nach der Einstellung des Zugverkehrs besuchte ich die Linie im Sommer 2019 und wanderte in 2 Tagen die gesamte Strecke ab. Die Fotos werden auf diesem Blog noch zu einem späteren Zeitpunkt folgen.
https://railwalker.de/2019/08/30/bericht-von-unterwegs-severac-le-chateau-rodez-2019/
Aktuell wird mit einer Wiedereröffnung der Linie bis zum Jahr 2025 geplant. Ob hierfür auch gebrauchte Schienen zur Senkung der Kosten ein probates Mittel sein werden, wird sich zeigen. Einen Austausch haben die Schienen in jedem Fall nötig. Die Kosten für eine vollständige Ertüchtigung der Linie werden mit 80 – 100 Millinen Euro beziffert.

Quellen:
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