Die 67 Kilometer lange Bahnverbindung zwischen Blois – Pont-de-Braye wurde 1881 eröffnet. Teil dieser Strecke ist der 33km lange Abschnitt zwischen Verdôme und Blois. Diese Verbindung zwischen Vendôme und Blois wurde um 1949/50 auf einer Länge von 5 Kilometern unterbrochen. Es verblieben zwei für den Güterverkehr geöffnete Streckenstummel.

Im Jahr 2020 gibt die französische Staatsbahn SNCF an, auf beiden Teilästen Vendôme – Selommes und Blois – Villefrancoeur diese Strecke für den Güterverkehr geöffnet und damit betriebsbereit zu halten.
Nun war dies mit der Netzkarte der SNCF offenbar immer so eine Sache. Die veröffentlichte Karte und die Situation vor Ort weichen dabei manchmal deutlich voneinander ab. Auf einer „für Güterzüge geöffneten Strecke“ stehen da ganz gerne mal Bäume im Gleis und machten deutlich, dass hier seit Jahren kein Zug mehr gefahren sein kann. Was im Hintergrund zu solchen inhaltlichen Fehler der Karte führt, darüber kann ich nur spekulieren.

Es sind gerade diese sich oft widersprechenden Details, die mich im April 2022 zu einem Besuch mehrerer kleiner Linien veranlasst haben. Wenn die Luftbilder den Eindruck hinterlassen eine Bahnstrecke sei aufgegeben worden und die Karte der SNCF sagt das Gegenteil, dann möchte ich da mal für mich eine Gewissheit haben und mich selbst vor Ort von den Fakten überzeugen.

Die Anreise von Châteaudun nach Vendôme ist eine Kleinigkeit. 59 Minuten mit dem Bus für 6€. An der Bahnstrecke wird gerade bis August gebaut, es fahren also nur Busse. Der Wetterbericht kündigte noch weitere zwei Tage Dauerregen an. Im Hotel verkriechen wollte ich mich nicht mehr, das hatte ich nun schon zwei Tage lang getan – geht irgendwann zu sehr zu Lasten der Reisekasse. Der Campingplatz in Vendôme war da eine deutliche Verbesserung: Steckdosen, Duschen, und das für 12€ am Tag. Was will man als Wanderer mehr? Für den ersten Regentag hatte ich mir vorgenommen einfach mal ohne Gepäck und nur mit Regenschirm einen Spaziergang auf der Strecke Vendôme – Selommes (12km) zu machen. Abends dann mit dem Bus zurück. Sozusagen eine kleine Vorerkundung der Strecke.



Für den geplanten Spaziergang nach Selommes wurde eingepackt: Der Regenschirm (ganz wichtig, er wurde unterwegs knapp 20x gebraucht), die Kamera (nur für den Fall, dass der Regen pausiert und die Wolken doch mal verschwinden) und etwas Verpflegung. Zum fotografieren zwischendurch wird das Handy herhalten müssen.







Etwas enttäuscht von den zugewachsenen Schienen und der sich wild ausbreitenden Vegetation, setzte ich meinen Spaziergang auf der Strecke fort. Eine andere Quelle im Internet gibt an, dass der Zugverkehr bereits 2018 ausgesetzt wurde. Das wird wohl zutreffend sein. Immerhin blieb auf den ersten Kilometern ein kleiner Trampfelpfad auf dem Gleis übrig

Während das Spazieren auf Bahnstrecken üblicher Weise immer zu kurzen Tippelschritten führt, da man nur auf die Schwellen tritt, war hier auf dieser Linie etwas ganz anderes der Fall: Aus welchen Gründen auch immer, der Abstand zwischen den Holzschwellen war ungewöhnlich lang. Von kurzen Tippelschritten konnte man hier nicht sprechen. Eher musste ich ordentlich große Schritte machen, um die nächste Schwelle zu erreichen.








Und natürlich darf hier im Wald für den einsamen Forstweg auch eine handwerklich solide errichtete Steinbogenbrücke nicht fehlen.








Hinter Brücke führte die Bahnlinie schnell wieder auf einem Damm über eine Senke im Wald. An der tiefsten Stelle war für die Bachläufe wieder ein Durchlass geschaffen worden. Aus drei Richtungen sah man trockene Bachläufe auf den Durchlass zu führen.


Direkt im Anschluß an den Bahnübergang mit der Nummer 42 geht es in den ehemaligen Bahnhof von Villetrun – Coulommiers. Er liegt mittig zwischen den Ortschaften Villetrun und Coulommiers (welch eine Überraschung). Hier hatten landwirtschaftliche Genossenschaften ihre Erzeugnisse auf die Bahn verladen. Beim Bau der Silos muss wohl das Bahnhofsgebäude abgerissen worden sein. Nur der Güterschuppen war noch zu sehen. Dort wo einst Ladegleis gelegen haben, hatte man Schienen und Schwellen entfernt. Nur ein Prellbock war noch zu sehen.

Der Bahnhof auf einer alten Postkarte. Das Empfangsgebäude fehlt heute. Nur der Güterschuppen (auf dem Bild direkt neben der Lokomotive) ist heute noch zu sehen.








Selommes war zuletzt schon lange Zeit der Endpunkt der Linie. Die folgenden 5 Kilometer bis nach Villefrancoeur wurden seit den 1950er Jahren nicht mehr befahren. In Selommes wurden an mehreren Verladeanlagen landwirtschaftliche Produkte umgeschlagen. Nachdem der Verkehr eingestellt wurde, verfallen die Anlagen. Überraschend wurde das Bahnhofsgebäude bisher nicht abgerissen. Der Zustand ist aber bedauernswert.




Nach der Ankunft endete mein kleine Vorerkundung der Strecke. Der geplante Spaziergang war nun doch zu einer kleinen Streckenwanderung geworden. Es sind nur ein paar kleine Abschnitte die ich bei einer weiteren Gelegenheit noch einmal gründlicher dokumentieren muss und dann gilt diese kleine Strecke als abgehakt.
Die Rückfahrt von Selommes erfolgte dann für 3€ mit dem Bus. Während ich die halbe Stunde noch an der Haltestelle wartete, kam die Abendsonne noch einmal richtig hervor. Ein schöner Abschluß für diese etwas unverhoffte Streckenwanderung.
