Zweimal reiste ich in den Jahren 2021 und 2022 in das Département Deux-Sèvres in die Eisenbahnerstadt Thouars. Neben mehreren Bahnstrecken, die hier in der Region nicht mehr befahren werden, geht es in der folgenden Beitragsserie um die Bahnstrecke Les Sables-d’Olonne nach Tours. Von dieser 246 km langen Bahnstrecke liegen einige Teile brach und werden nicht mehr von Zügen befahren. So auch der Streckenabschnitt von Thouars nach Beuxes.
Bild 1: Ausschnitt aus der Streckennetzkarte der SNCF. Die Karte ist mit ihren Details nicht mehr aktuell. Am Bahnhof Thouars kreuzen sich die Strecken 500 und 525. Westlich von Thouars wird die Strecke 525 bis nach Chinon nicht mehr befahren. Über die letzten Jahre existierten nur wenige Fahrten von Güterzügen zwischen Thouars und einem Silo in Beuxes. Diese Verkehre endeten im Jahr 2019 (die hier betreffende Strecke wurde von mir nachträglich rot markiert).Bild 2: Eine historische Netzkarte zeigt die Dichte des Eisenbahnnetzes in der Region an. Die bewanderte Strecke von Thouars nach Beuxes beträgt knapp 34 Kilometer.
Geschichtlicher Abriss der Strecke Zur historischen Entwicklung der Strecke Les Sables-d’Olonne–Tours existiert überraschend auch ein ausführlicher Wikipediaartikel in deutscher Sprache (hier verlinkt). Die 246 km lange Strecke wurden zwischen den Jahren 1866 und 1875 schrittweise eröffnet. 55 km der Strecke wurden in zwei Schritten zweigleisig erweitert: 1882 von Arçay bis Loudun (7,9 km) sowie 1913 von Bressuire über Thouars bis Arçay (47,3 km).
Die Konzessionen für die einzelnen Streckenabschnitte gingen an die 1862 gegründete Firma Compagnie des chemins de fer de la Vendée. Sie startete die Realisierung der Strecke, kam jedoch noch vor der Fertigstellung des gesamten Linienverlaufs in finanzielle Schwierigkeiten. Im Jahr 1878 war sie eine von 10 Firmen, die vom Staat übernommen werden musste. Fortan führte nun die staatliche Administration des chemins de fer de l’État (kurz État) den Betrieb und baute die nach Konzessionen erhaltenen Strecken fertig. In anderen Regionen war die État oft darum bemüht, die übernommenen Strecken wieder zu veräußern. Hier in der Region behielt sie jedoch die erworbenen Linien bis zum Übergang in die SNCF am 01.01.1938.
Mit dem Übergang zur SNCF wurde landesweit auf vielen Eisenbahnstrecken der Personenverkehr eingestellt. Die vormaligen großen Privatbahnen hatten 1937 noch einen Verlust von 30 Milliarden Franken eingefahren. Also Folge sanierte die SNCF die Betriebe und stelle auf rund 10.000 km den Personenverkehr ein.
Die von mir bewanderte Strecke Thouars nach Beuxes ging im Jahr 1873 in Betrieb. Im Folgenden habe ich eine schematische Übersicht zur Eröffnung der Strecken und dem anschließenden Niedergang erstellt:
Bild 3: Eröffnung der eingleisigen Strecke zwischen Thouars und Chinon. Ein Jahr danach erfolgte die Verlängerung bis Tours.Bild 4: Im Jahr 1874 erfolgten weitere Inbetriebnahmen zusätzlicher Strecken. Von Loudun aus ging die Strecke nach Angers-Maître-École in Betrieb. Von Arçay aus konnte bis Poitiers gefahren werden.Bild 5: Durch den gestiegenen Verkehr wurde der 8 km lange Abschnitt zwischen Arçay und Loudun zweigleisig ausgebaut. Da hier kein Unterwegsbahnhof mit Kreuzungsmöglichkeit existierte, wurden nun die Durchlässigkeit und Zugfolge erhöht.Bild 6: Eine weitere Strecke ging in Betrieb: Von Loudun aus konnte jetzt nach Châtellerault gefahren werden.Bild 7: Der weiter ansteigende Verkehr erforderte nochmals einen Ausbau. Inzwischen wurde auch der Streckenabschnitt Thouars bis Arçay zweigleisig erweitert.Bild 8: Das dichte Eisenbahnnetz erzeugte nach und nach steigende Verluste, gerade im Personenverkehr. Zum 01.01.1938 wurde die SNCF gegründet. Rund 1 1/2 Jahre nach ihrer Gründung setzte diese den Personenverkehr auf den Strecken a) Loudun – Angers-Maître-École, b) Loudun – Châtellerault und c) Arçay – Poitiers aus. Alle genannten Strecken wurden ab jetzt bis zu ihrem Ende nur noch von Güterzügen befahren.Bild 9: Zur Zeit der deutschen Besatzung wurden an vielen Bahnstrecken in Frankreich das 2. Streckengleis entfernt. Beispielhaft dafür das nachfolgende Schreiben, das die SNCF zur Abgabe von 2.500 km Schienen auffordert.Bild 10: Das Schreiben oben ist auf den 20 Juni 1942 datiert. Die SNCF bestätigt hiermit den Eingang des Forderungsschreiben nach 2.500 km Schienen: Die SNCF bestätigt den Eingang Ihres Schreibens, auf das nebenstehend verwiesen wird und das die Lieferung von 2.500 km Gleis und 2.500 Weichen durch Frankreich betrifft.Bild 11: Unter anderem auf Grund zweier zerstörter Brücken wurde 1954 die Bahnstrecke Angers-Maître-École – Loudun endgültig aufgegeben.Bild 12: Im Jahr 1970 erfolgten weitere Einschnitte im Personenverkehr. So wurde nun der Streckenteil Thouars – Chinon auf die Straße verlegt. Zwischen Thours und Pas-de-Jeu wurde auch noch der Güterverkehr eingestellt.Bild 13: Der nicht befahrene Teil der Strecke wurde nur ein Jahr später auch noch auf Pas-de-Jeu – Arçay ausgedehnt.Bild 14: Im Jahr 1992 kam es zu einem Richtungswechsel. Jetzt wurde die nördliche Verbindung zwischen Chinon und Beuxes aufgegeben, dafür aber der 22 Jahre lang nicht befahrene Link nach Thouars wieder hergestellt.Bild 15:In Ermangelung von Streckenmodernisierungen wurde die Strecke von Arçay nach Poitiers aufgegebenBild 16: Im Jahr 2010 traf es die Strecke nach Châtellerault. Es verblieb jetzt lediglich der Güterverkehr zum Silo bei Beuxes als einziger Nutzer der Strecke.Bild 17: Und hiermit praktisch der heute noch aktuelle Stand: Wegen Überalterung der Strecke wird der Güterverkehr nach Beuxes aufgegeben.Bild 18: Das Streckenband zeigt alle Betriebsstellen und wichtigen Bauten mit ihrer Kilometrierung. Entlang der Streckenwanderung war nun eine nennenswerte Brücke anzutreffen: die über den Bach Dive.
Alle Fotos zur Streckenwanderung sind in 18 verschiedene Beiträge im Forum Drehscheibe-Online eingebracht worden und können über die nachsehenden Links erreicht werden. Viel Spaß!
1. Teil DSO-Link Einleitung – Gare Thouars (m46B) 2. Teil DSO-Link Gare Thouars – PN 161 (m46B) 3. Teil DSO-Link PN 161 – PN 165 (m47B) 4. Teil DSO-Link PN 165 – Km 159,9 (m46B) 5. Teil DSO-Link Km 159,9 – Km 164 (m46B) 6. Teil DSO-Link Km 164 – Pas-de-Jeu – Km 166 (m44B) 7. Teil DSO-Link Km 166 – Bif de Arçay (m46B) 8. Teil DSO-Link Bif de Arçay – PN 188 (m44B) 9. Teil DSO-Link PN 188 – PN 193bis (m43B) 10. Teil DSO-Link PN 193bis – Gare de Loudun (m43B) 11. Teil DSO-Link Gare de Loudun (m46B) 12. Teil DSO-Link Gare de Loudun – PN 200 (m45B) 13. Teil DSO-Link PN 200 – Gare Basses-Sammarçolles (m48B) 14. Teil DSO-Link Gare Basses-Sammarçolles – PN 207 (m39B) 15. Teil DSO-Link PN 207 – Beuxes (m40B)
Wandern auf alten Bahntrassen 