In den letzten Jahren hat sich der Schrumpfungsprozess im Schienennetz der SNCF etwas abgeflacht. Überwiegend wurden jetzt nur noch Strecken aufgegeben, die schon über eine lange keinen Personenverkehr mehr hatten. Einzig der Güterverkehr existierte hier viele Jahre noch. Oftmals war der einzige Grund für den Erhalt solcher Strecken ein irgendwo an der Strecke gelegenes Getreidesilo, eine Zementfabrik oder an anderer ähnlich gearteter Gleisanschluß. Die Zahl der Zugfahrten war überschaubar, die zulässige Geschwindigkeit oft nur noch gering. Der Gleisoberbau war oft veraltet, die Infrastruktur wenig gepflegt. An den ehemaligen Bahnhöfen wurde die Zahl der Gleise auf ein Minimum reduziert. Unter dieser Beschreibung lassen sich in Frankreich viele Strecken zusammenfassen. Darunter zählt auch die hier behandelte Strecke von Chartres nach Dreux.
Historischer Abriss
Die Bahnstrecke von Chartres nach Dreux geht auf Planungen der 1860er Jahre zurück. Geplant wurde damals eine bessere Eisenbahnverbindung zwischen den Städten Rouen und Orléans, ohne hierbei den Umweg über Paris nehmen zu müssen. Die tatsächlich realisierte Routenführung war schließlich die folgende:
Orléans-les Aubrais, Chartres, Dreux, Fermaincourt, Pacy-sur-Eure, Acquigny, Louviers, Caudebec-lès-Elbeuf, Elbeuf-Ville und Rouen-Orléans. Die Konzession für die ganze Strecke wurde der 1968 gegründeten Firma Compagnie du chemin de fer d’Orléans à Rouen übertragen.
Von der ersten Teileröffnung am 28. Oktober 1872 zogen sich die Arbeiten über 10 Jahre hin, bis am 8. Januar 1883 das letzte Teilstück eröffnet wurde. Die Strecke bedient die Bahnhöfe anderer Firmen dort, wo bestehende Bahnstrecken gekreuzt wurden. Dies war der Bahnhof Orléans der Gesellschaft Compagnie du chemin de fer de Paris à Orléans (kurz: PO) und der Bahnhof in Dreux von der Compagnie des chemins de fer de l’Ouest (kurz: CF oder l’Ouest).
Die Compagnie du chemin de fer d’Orléans à Rouen überlebte die Zeit bis zur Fertigstellung der Strecke nicht. Anfang 1877 geriet das Unternehmen in finanzielle Schwierigkeiten. Zu diesem Zeitpunkt war der Bau der Strecke zwischen Orléans und Rouen noch nicht abgeschlossen. Es fehlte noch der 17km lange Abschnitt von Elbeuf-Ville – Rouen-Orléans (der übrigens auch bereits Teil einer Streckenwanderung war, siehe hier: DSO-Link).
Die Compagnie du chemin de fer d’Orléans à Rouen war eine von 10 in Schwierigkeiten geratenen Gesellschaften, die vom Staat übernommen wurde. Dieser integrierte die Gesellschaft in die Administration des chemins de fer de l’État (kurz: État). Unter staatlicher Führung wurde für den Weiterbetrieb gesorgt, der Bau der noch nicht eröffneten Bahnstrecken fortgesetzt. Teilweise gab die État die Bahnstrecken dann wieder an andere Unternehmen ab. So kam die Bahnstrecke Chartres – Dreux 1883 zur Compagnie des chemins de fer de l’Ouest (kurz: CF oder l’Ouest).
Aber auch der CF war kein dauerhaftes Glück beschieden. 1908 musste sie vollständig von der État übernommen werden. 1938 wurde daraus den die SNCF.
Die Bahnstrecke wurde eingleisig errichtet und es gab keine Planung für eine Aufwertung zu einer zweigleisigen Strecke. Die bedeutendste Zwischenstation war der Bahnhof von Saint-Sauveur – Châteauneuf. Er wurde für die Orte Saint-Sauveur (direkt am Bahnhof gelegen) und Châteauneuf-en-Thymerais (4 km Fußweg zum Ort) errichtet. Im Jahr 1899 wurde der Bahnhof aufgewertet und an das schmalspurige Netzwerk der Tramways d’Eure-et-Loir angeschlossen. Für die Bewohner von Châteauneuf-en-Thymerais war der Bahnhof Saint-Sauveur – Châteauneuf nun wesentlich besser erreichbar. Der Betrieb wurde aber schon wieder in den 30er Jahren eingestellt. Das 212 km lange Netz der Tramways d’Eure-et-Loir war 1937 vollständig abgebaut worden.
Schließlich wurde der Personenverkehr zwischen Chartres und Dreux am 4. Juli 1971 eingestellt. Der mittlere Streckenabschnitt zwischen den Bahnhöfen Saint-Sauveur-Châteauneuf und Aunay-Tréon hatte damit keinen Zugverkehr mehr. Die bestehenden Gleisanschlüße wurden jetzt entweder von Chartres oder Dreux aus bedient (siehe auch Bild 1 weiter oben).
Die Düngermittelfabrik Hurel-Arc mit Ihrem Gleisanschluß am Bahnhof Aunay-Tréon wurde von Dreux aus bedient. Die umgeschlagene Fracht erreichte eine solche Menge, dass die Bahnstrecke auf den nördlichen 8 Kilometern mit 25 kV und 50 Hz elektrifiziert wurde. die Eröffnung fand im November 1984 statt. Dieser Ausbau kam auch dem Silo Natup-Gruppe in Garnay sehr entgegen, welches unterwegs an der Strecke liegt. Die Züge für die Düngermittelfabrik erreichten ein Gewicht von 1.700t. In den letzten Betriebsjahren wurde teilweise mit Diesellokomotiven unter dem Fahrdraht gefahren. Der nur sporadische Zugverkehr führte vermehrt zu Diebstählen an der Oberleitung. 2009 soll der letzte Zug nach Aunay-Tréon gefahren sein. 2013 wurden der Fahrdraht und die Ausleger demontiert, aber die Masten blieben stehen. Auch alle anderen Gleisanschlüße wurden in den letzten Jahren aufgegeben. Bei meinem ersten Besuch im Herbst 2021 war auf der gesamten Strecke kein Zugverkehr mehr gegeben.
Alle Fotos zur Streckenwanderung sind in 18 verschiedene Beiträge im Forum Drehscheibe-Online eingebracht worden und können über die nachsehenden Links erreicht werden. Viel Spaß!
[Frankreich 2022] Streckenwanderung Chartres – Dreux
1. Teil DSO-Link Chartres – Pont Rue Henri Dunant (m42B)
2. Teil DSO-Link Pont Rue Henri Dunant – PN 4 (m44B)
3. Teil DSO-Link PN 4 – PK 5,5 (m42B)
4. Teil DSO-Link PK 5,5 – Bailleau-l’Évêque (m44B)
5. Teil DSO-Link Bailleau-l’Évêque – Briconville (m39B)
6. Teil DSO-Link Briconville – Clévilliers (m45B)
7. Teil DSO-Link Clévilliers – PK 19 (m45B)
8. Teil DSO-Link PK 19 – PK 21,7 (m43B)
9. Teil DSO-Link PK 21,7 – Saint-Sauveur – Châteauneuf (m44B)
10. Teil DSO-Link Saint-Sauveur-Châteauneuf – PK 14,8 (m43B)
11. Teil DSO-Link PK 14,8 – PN 37 (m42B)
12. Teil DSO-Link PN 37 – PK 30 (m44B)
13. Teil DSO-Link PK 30 – PN 44 (m45B)
14. Teil DSO-Link PN 44 – Aunay – Tréon (m45B)
15. Teil DSO-Link Aunay – Tréon – PK 37 (m44B)
16. Teil DSO-Link PK 37 – Garnay (m44B)
17. Teil DSO-Link Garnay – PN 59 (m43B)
18. Teil DSO-Link PN 59 – Dreux (m25B)

Hallo Railwalker wieder einmal ein wunderschöner Bericht mit Blick für Gegenwart, Vergangenheit und Details. Weiter so!!
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